«Wie geht es dir?», «Gut, danke. Keine Schmerzen, der Bruch verheilt in 6-8 Wochen. Ist halt ärgerlich, der Zeitpunkt. Aber eben, daran lässt sich jetzt auch nichts ändern.» Meine Standardantwort auf die Standardfrage an eine verletzte Sportlerin. Small Talk ist nicht gerade meine Paradedisziplin, aber diese paar Sätze habe ich die vergangenen Wochen so oft wiederholt, dass ich schon bald Medaillenanwärterin bin. «Nein, das meinte ich nicht.», antwortet mein Gegenüber. «Wie’s deinem Fuss geht, weiss ich. Wie geht es DIR?»
Ich bin verletzt. Schon wieder. Weg vom Fenster. Die vergangenen drei Winter bin ich zusammengezählt acht Weltcuprennen und einmal X Games gefahren. Nicht gerade viel. In Anbetracht der ganzen Arbeit, die ich in die Vorbereitung dieser drei Winter gesteckt habe, sogar herzlich wenig.
Gründe für die wenigen Starts auf der höchsten Wettkampfstufe gibt es verschiedene. Der erste Post-Sochi Winter war für mich von Differenzen mit dem damaligen Schweizer Headcoach und einem dünn besetzten Rennkalender geprägt. Europacuprennen und die Teilnahme an der Universiade waren damals ein kleiner Trost für die Nicht-Selektion für die WM. Die drei einzigen Weltcuprennen in jenem Winter waren schlicht unbefriedigend. Ein Doppelweltcup in Veysonnaz und am folgenden Wochenende das Weltcupfinale in La Molina. Nicht gerade repräsentativ.
Trainerwechsel, neue Inputs, neue Energie. Vielversprechender Start in die Saison 2015/16. Drei Top 10 Resultate an den ersten drei Weltcuprennen und damit die Einladung an die X Games in Aspen. Doch mein Amercian Dream endete frühzeitig. Mit einem gebrochenen Lendenwirbel und einer Fraktur im linken Knie kehrte ich nach Hause zurück. Die Saison war zu Ende.
Abgeschlossenes Bachelorstudium, mehr Freiheiten, frische Vorbereitung. Die Vorzeichen für diesen Winter waren gut. Der Start in die Rennsaison weniger. Aber von einem missglückten Rennen liess ich mich nicht unterkriegen und griff in Solitude wieder an. Die Folge kennen wir: Gebrochener Fuss, Saisonende.
Also, wie geht es mir? Mir geht’s wie einem Ballon, dem die Luft rausgelassen wurde und der jetzt verschrumpelt am Boden liegt. Ich fühle mich wie ein Kind, das hilflos und wütend täubelet, weil ihm sein Lieblingsspielzeug weggenommen wurde. Mir ergeht es wie den Spielfiguren auf dem Eile mit Weile Brett, die vom Gegner gefressen werden und zurück an den Anfang müssen.
«Alles halb so wild», meldet sich mein Verstand. «Es könnte viel schlimmer sein. Verletzungen gehören zum Sport.» «Ja, klar. Stimmt ja», gibt mein Bauch klein bei. «Aber wieso schon wieder?»
Vor dem Hintergrund meiner Privilegien, der glimpflichen Folge des Unfalls und meinen Möglichkeiten gibt es keinen rationalen Grund, traurig, wütend und frustriert zu sein. Dennoch bin ich es. Ich will snowboarden, Rennen fahren, mich mit anderen messen! Ich will endlich die ganze harte Arbeit der Vorbereitung unter Beweis stellen! Ich will Adrenalin in meinem Blut, die Anspannung am Start erleben! Ich will kämpfen, jubeln und Freudentränen weinen!
«Und wie geht es dir?»