Johann Wolfgang von Goethe
Die vergangenen drei Tage passte der Leitspruch von Johann Wolfgang von Goethe bestens zu unserer Situation. Wir sind es gewohnt in sportlicher Manier möglichst schnell von A nach B zu gelangen. Reisen ist Mittel zum Zweck, wenn ich mit dem Schweizer Boardercross Team unterwegs bin. Warum J. W. G. trotzdem Recht behalten sollte, erzähle ich euch hier.
Teil 1 – Flug nach San Carlos de Bariloche
Zürich – Curacautín, Chile
Vor diesem Hintergrund schöpfte niemand Verdacht, dass diese Reise anders werden könnte, als bereits in Zürich die erste Portion Geduld gefordert war.
Ein überraschender Abstecher
Das erste Zwischenziel
Gesagt, getan. Wir landeten in Sao Paolo, blieben brav auf unseren Sitzen sitzen, tankten den Riesenvogel und führten die Reise nach Buenos Aires fort. Meinen letzten Film, «Steve Jobs», schaffte ich pünktlich zur Landung. Nach einer totalen Reisezeit von 17 Stunden landeten wir zum Glück ohne Probleme und mit genügend Treibstoff im Tank. Unser Anschluss nach San Carlos de Bariloche war aber ausser Reichweite. Wir wurden umgebucht und pressierten mit Sack und Pack quer durch Buenos Aires. Flughafenwechsel, Stau auf den Strassen von Buenos Aires, erneute Umbuchung. Mehr Warterei. Die kleinen Zwischenfälle waren nicht mal mehr der Rede wert. Dass wir beim Check-In nicht auf der Passagierliste standen, brachte uns nicht aus der Ruhe. Ein, zwei Anrufe bei der Lufthansa und eine weitere Runde Kaffee später konnten wir endlich einchecken und weiterreisen. Das Vorhaben, noch am gleichen Abend nach Chile zu fahren, musste wir begraben, da die Grenze um 18 Uhr schloss und wir erst gegen 20 Uhr in San Carlos de Bariloche landeten.
Die Nacht im Hotel in Bariloche war eine Wohltat. Eine Dusche, ein richtiges Bett und ein Frühstück später ging die Reise weiter.
Teil 2 – Autofahrt nach Curacautín, Chile
Optimistische Ausgangslage
Für südamerikanische Verhältnisse war die Stunde Verspätung unserer Abfahrt kaum die Rede wert. Bis unsere Fahrer uns im Hotel abholten und wir das Transportauto mit all unserem Gepäck genügend gesichert hatten, wurde es 10 Uhr. «Keine Sorge, es sind nur 6 Stunden Fahrt. Wir haben alle Zeit der Welt, Pausen zu machen.» meinte unser Fahrer Jamie gut gelaunt. «Wichtig, ihr seid alles meine Freunde! Freunde von Jamie! Sagt das so an der Grenze. Wir sind zusammen unterwegs!» sagte er mit Nachdruck. Google Maps berechnete für die 573 km zwar 7h30min und in Anbetracht der maximal 70 km/h, die unser Kleinbus hinkriegte, fanden wir Jamies Ansage sehr optimistisch. Wir liessen uns die ersten zwei Stunden von der wunderschönen argentinischen Landschaft verzaubern und fuhren in Richtung der argentinisch-chilenischen Grenze.
Die argentinische Grenze
An der Grenze stiegen wir aus dem Minibus. Zehn Personen und Fahrer, gefolgt vom Transportwagen mit Fahrer. Wir erledigten die Formalitäten im argentinischen Büro. Meine Spanisch Kenntnisse sind in solchen Fällen jeweils von Nutzen. Die Zöllner wollten von mir wissen, wieviel Jamie von uns für den Transport verlangt. Ich hielt mich an seine Anweisungen und bestätigte, dass wir Freunde wären und er den Transport umsonst mache. Der junge Beamte akzeptierte meine Aussage widerwillig und winkte uns schliesslich durch. Wir stiegen zurück ins Auto, fuhren 15 Meter weiter und wurden dort erneut angehalten. Scheinbar fehlten für den Transportwagen noch irgendwelche Papiere. «Kein Problem, die Grenze ist ja bis 18 Uhr offen. Da haben wir noch ewig Zeit», witzelte Kalle.
Fehlende Lizenz, verzögerte Weiterfahrt
Alles diskutieren half wenig. Wir bewegten uns zwischen Lieferwagen und Büro hin und her und versuchten, eine Lösung zu finden. Zurück konnten wir nicht, weil wir eben aus Argentinien ausgereist waren. Weiter genauso wenig, weil unser Lieferwagen festgehalten wurde. «Gute Neuigkeiten!», strahlte der junge Zöllner plötzlich, «eure Snowboards wurden freigegeben.», «Wunderbar, danke! Und der Lieferwagen?», «Der bleibt hier. Keine Chance, der ist beschlagnahmt.» Meine Freude war von kurzer Dauer. Der kleine Erfolg, dass immerhin unser Gepäck freigegeben wurde, half in der ganzen Situation wenig.
30 km zwischen Argentinien und Chile
Das argentinische und chilenische Büro an der Grenze sind von einem 30km langen Pass getrennt. Diese Tatsache erschwerte unsere Weiterreise erheblich. Wir konnten nicht kurz mit allem Gepäck in der Hand über die Grenze marschieren. «Was, wenn wir mit dem Minibus auf die chilenische Seite fahren, alle aussteigen, Jamie zurück kommt und euch und das Gepäck abholt?», fragte ich Mario. «So kämen wir immerhin auf die chilenische Seite und könnten dort einen Ersatztransporter organisieren.» Jamie war begeistert von der Idee. Er habe in Chile seine Kontakte. Also nahmen wir den Plan in Angriff. Die Zöllner gaben ihr Okay. Wir müssten nur noch kurz alles Gepäck durch den Sicherheitsscanner schicken. Bei den Worten «kurz», «schnell», «einfach» läuteten bei mit mittlerweile die Alarmglocken. Nach insgesamt 3.5 Stunden Wartezeit an der Grenze fuhren alle sechs Athleten, die Physio, der Waxmann und ein erster Teil des Gepäck los. Nur schnell 30 km über den Pass.
Die chilenische Grenze
Kurz nach 20 Uhr fuhren wir nach vierstündiger Wartezeit an der chilenischen Grenze los. Die Fahrt von dort aus dauerte nicht wie angekündigt 4, sondern 7 Stunden. Entsprechend froh waren wir, um 3 Uhr nachts endlich in unser Bett zu fallen; mit 36 Stunden Verspätung.
«Der Weg ist das Ziel.»


